
Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.
30.11.2008
Die Meldungen I
(News-Bröckchen der letzten Zeit, Teil 1 von 2)
Durch die Nacht mit Miranda July und David Shrigley: Arte zeigt in seiner originellen Dokumentationsreihe "Durch die Nacht mit ..." diesmal das Aufeinandertreffen des britischen Cartoonisten David Shrigley (schräge Sachen auf seiner Website: z.B. Sammlung an Tattoos mit seinen Motiven) mit der amerikanischen Filmemacherin, Schriftstellerin und Künstlerin Miranda July. Die Begegnung in Paris zur Fashion Week wird am 04.12 ab 00:05 Uhr auf Arte ausgestrahlt. Pressetext: "David Shrigleys Markenzeichnen sind seine absurd-düsteren Cartoons. Darauf sind auch Bands wie Blur, Franz Ferdinand und Hot Chip aufmerksam geworden und beauftragten Shrigley für Musikvideos oder vertonten seine Cartoons. Eine spielerische Begegnung zweier Ausnahmekünstler, die zwischen einsamer Tüftelei und schonungsloser Selbstdarstellung schwanken - und dabei unheimlich charmant sind." Falls alles läuft wie gedacht, so kann man die Sendung nach der Ausstrahlung eine Woche lang im Stream auf arte+7 anschauen.
Diese Filmreihe ist generell hochinteressant, z.B. trifft H.P. Baxxter auf Heinz Strunk, Rosa von Praunheim auf Todd Verow, Billy Corgan auf Uli Jon Roth, Bastian Pastewka auf Frank Plasberg, Judith Holofernes auf Lewis Trondheim und vieles, vieles mehr.
Stray Bullets wechselt wieder den Verlag: Die Ehapa Comic Collection hat in ihrem Sommerprogramm 2009 für den August den ersten Band einer Hardcoverausgabe von Stray Bullets angekündigt (224 Seiten, s/w, 29,95 Euro) - der dritte Anlauf für diese hochgelobte Comicserie von David Lapham, nach Ehapa/Feest und Schwarzer Turm. Allerdings ist Stray Bullets noch unvollendet, da Lapham aus finanziellen Gründen anderen Projekten momentan den Vorzug geben muss.
Ebenfalls im Sommerprogramm zu finden: mehrere neue abgeschlossene "all in one"-Comics (Herr der Finsternis im Mai, Tanatos im Juli, Die schwarze Trilogie im August und Auf der Suche nach dem Einhorn im September). Bei diesen Komplett-Ausgaben läuft man wenigstens nicht Gefahr, dass Nachfolgebände nicht mehr erscheinen werden, wie es Ehapa in der Vergangenheit leider des öfteren vorgeführt hat (man denke z.B. an die engagierte Eigenproduktion Die Wellenläufer, deren sechs geplante Ausgaben nach zwei Bänden inkl. einer Formatumstellung eingestellt wurde).
Derweil hat man im Ehapa-Forum, das eigentlich höchstpersönlich vom Chef mitbetreut wird, bis März 2009 erstmal etwas weniger Kontakt zum Verlag: Georg Tempel hat eine Auszeit wegen Elternzeit genommen.
Noch ein Verlagswechsel: Blankets wurde von Carlsen Comics für August 2009 als "überarbeitete Neuedition in gehobener Hardcover-Ausstattung und Handlettering" angekündigt. Die erste Ausgabe des renommierten Comics von Craig Thompson (Comic des Jahres 2005) erschien bei Speed Comics (Verlag Thomas Tilsner), der mittlerweile nicht mehr existiert.Labels: Carlsen, Comicnews, Ehapa, TV
posted by Frauke um 23:34 | Permalink
21.11.2008
Netz-Zugang
(Neues Comic-Portal beim Tagesspiegel)
Der erfreuliche Trend, dass Mainstreammedien das Feld der Comics verstärkt wahrnehmen, geht weiter: Die Berliner Zeitung Der Tagesspiegel hat auf ihrer Website ein neues Themenportal für Comics eingerichtet. Dort findet man aktuelle Artikel und Rezensionen, die teils aus der gedruckten Ausgabe stammen, teils auch direkt fürs Onlineangebot geschrieben wurden.
Außerdem stellt der Tagesspiegel dort auch die Comics ins Netz, die seit 2006 exklusiv in der gedruckten Sonntagsausgabe erscheinen. Sie stammen abwechselnd von Flix, Mawil, Arne Bellstorf und Tim Dinter. Leider hat man sich dafür entschieden, die Comics in Form von Klickstrecken (a.k.a. "Bildergalerien") zu präsentieren, also jedes Panel einzeln zu zeigen. Eine Archivfunktion ist an dieser Stelle (noch?) nicht zu finden, man kann im Moment nur den aktuellen Comic von Tim Dinter lesen.
Laut graphic-novel.info ist außerdem geplant, die Seite mit wöchentlichen Kolumnen zu ergänzen, "die sich mit dem aktuellen Geschehen in der Comicszene auseinander setzen". Wir sind gespannt.Labels: Berichterstattung, Presse
posted by Thomas um 12:48 | Permalink
19.11.2008
Attacke der Polit-Amazonen
(Neue Politikerbiografien, Obamas jüngster Comicauftritt und was unser Finanzminister so liest)
"Female Force"... das klingt nach allerknappsten Kostümen, überdimensionalen Brüsten sowie aufreizenden und anatomisch völlig unrealistischen Posen - wie eine Superheldinnenserie, die Image in den 1990ern rausgebracht hätte. Aber völlig daneben gedacht: Unter diesem Titel sollen die Comic-Biografien amerikanischer Politikerinnen erscheinen.Nachdem sich IDW bereits die beiden Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain in Comicform zur Brust genommen hat (worüber Daniel Wüllner ausführlich berichtete), widmet sich der Verlag Bluewater Productions im Sinne der Gleichberechtigung und der Hoffnung, ein paar Dollar am Politikzirkus verdienen zu können, nun den Frauen, "who are making and shaping modern history" (O-Ton Verlag). Biografien für Hillary Clinton und Sarah "Die Russen kommen" Palin sind für Januar bzw. Februar 2009 angekündigt. In Palins Fall wurden im Vorfeld extra zwei alternative Enden geschrieben und gezeichnet: Die (äußerst gruselige) Version, in der sie Vizepräsidentin der USA wird und die mittlerweile real eingetretene Niederlage. Im April soll dann ein Michelle Obama-Comic folgen. (Streng genommen ist sie natürlich keine Politikerin, aber zukünftig ohne Frage äußerst einflussreich.) Inhalt des Comics: Ihre Jugend in der South Side Chicagos, ihre berufliche Karriere und Einsatz für das Gemeindewesen sowie der Wahlkampf und der Aufstieg zur Ersten Frau im Staate... Gähn, ich weiß nicht, dann vielleicht doch lieber Superheldinnen in anatomisch inkorrekten Posen?
Oder wenigstens eine Mischung von Realität und Fiktion? Wie das geht, hat Erik Larsen vorgemacht, der bereits mit einem Titelbild für Furore sorgte, auf dem seine Kreation Savage Dragon Wahlkampf für Barack Obama betreibt. In einem Einseiter, der exklusiv für das Geek to Me-Blog des Chicago Tribune entstand, ließ er nun seinen grünen Helden erneut auf den zukünftigen Präsidenten treffen. Barack Obama selbst dürfte es gefallen, sich als Comicfigur zu sehen, ist er doch Medienberichten zufolge selbst Comicfan. Die Lieblingsserien des designierten 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten: Spider-Man und... Conan der Barbar! Und ich hätte schwören können, dass Conan eher Republikaner anspricht.
Passend zum Thema bekannte sich kürzlich auch ein deutscher Politiker als Comicleser, nämlich Finanzminister Peer Steinbrück. Der ehemalige Landesvater von NRW und erklärte Corto Maltese-Fan wurde auf der Intercomic in Köln gesichtet, wo er unter anderem einen Schnack mit den Edition 52-Verlegern Uwe Garske und Thomas Schützinger einlegte. Mehr dazu in diesem Artikel. Dem dortigen Foto nach zu urteilen, interessierte sich Steinbrück offenbar für Alex Robinsons "Ausgetrickst". Geschmack hat der Mann! Jedenfalls, was Comics angeht. Aber dieser Schal...Labels: Barack Obama, Edition 52, Politik, Savage Dragon, US
posted by Andi um 12:24 | Permalink
12.11.2008
Garfield ohne Garfield
(Erfolgreicher Comic-Remix)
Zuerst war es nur ein Gag: Der irische Blogger Dan Walsh nahm sich ein paar Garfield-Comicstrips und retuschierte die Panels so, dass der fette Kater nicht mehr auftauchte. In der Regel blieb dann ein Monolog von Garfields Herrchen John Arbuckle zurück. Das Ergebnis sind sehr surreale Strips, die dem Comic eine starke Wendung ins Düstere verleihen. Die Garfield-Strips ohne Garfield sind auf einmal tief traurige, existentialistische Einblicke ins Leben des depressiven Losers Arbuckle.
Es dauerte nicht lange, bis andere Blogger auf Garfield minus Garfield aufmerksam wurden, aus dem Witz wurde ein Erfolg, täglich wurde ein neuer Strip online gestellt. Normalerweise dauert es in solchen Fällen dann nicht lange, bis der Rechteinhaber und/oder sein Anwalt auftaucht und demjenigen, der da sein geistiges Eigentum remixt, auf die Finger klopft. Garfield-Erfinder Jim Davis jedoch reagierte anders: In einem Artikel der Washington Post sagte Davis, er freue sich über diese Idee. Und geschäftstüchtig ist Davis obendrein: Soeben erschien das erste gedruckte Buch von Garfield minus Garfield. Dort sind die Strips mit und ohne Katze gegenübergestellt, außerdem enthält es einige extra von Jim Davis kreierte Episoden, in denen Garfield nicht auftaucht.
Ein Beispiel, das Schule machen sollte. Das Urheberrecht, wie wir es heute kennen, hinkt der Realität des Internets massiv hinterher. Natürlich können die Rechteinhaber versuchen, stacheldrahtbewehrte Zäune um ihr geistiges Eigentum zu ziehen. Ein offener und Kreativitäts-freundlicher Umgang mit der eigenen Schöpfung aber kann zu neuen, interessanten Schöpfungen führen, wie das Beispiel von Dan Walsh eindrucksvoll zeigt.Labels: Garfield, Urheberrecht, Webcomic
posted by Thomas um 13:01 | Permalink
10.11.2008
Schund für die Massen
(Karl Nagels neue Comiczeitung)
Wer 2006 in Erlangen auf dem Comic-Salon war, dem werden noch Karl Nagels flammende Reden in Erinnerung sein, die am Stand der Alligatorfarm geschwungen wurden. Seine Kernthese: Comics waren mal billiger Schund, jetzt sind es nur noch teure Sammelobjekte, die in edler Ausstattung zu überhöhten Preisen in einem Markt vertickt werden, der nur noch aus ergrauten Sammlern besteht.
Mit den Comics der von Nagel gegründeten Alligatorfarm sollte gegengesteuert werden, wobei das Farm-Flaggschiff Perry gewollt oder ungewollt natürlich auch teilweise wieder bei genau jenen ergrauten Sammlern landete. Mittlerweile hat Karl Nagel die Farm in andere Hände gelegt, er selbst bleibt den Comics jedoch weiterhin erhalten. Er gründete den neuen Verlag Tikoloshe (nach einem boshaften Fabelwesen aus der Zulu-Mytholgie) und gibt dort ein "Prekariats-Magazin"heraus, ein Comicheft, das wild, ungestüm, provokant und dreckig sein will. Und vor allem: Billig.Die! oder wir soll es heißen, eine Ausgabe, auf Zeitungspapier gedruckt, soll 99 Cent kosten. Verkauft werden soll das Teil nicht nur im Comicshop und im Bahnhofsbuchhandel, sondern vor allem auch dort, wo die Subkultur zuhause ist, die Nagel primär erreichen möchte. Beim Punk-Mailorder, beim Rockkonzert oder direkt auf der Straße. Mehr zum Konzept hinter Die! oder wir erklärt Nagel im Comicforum.
Seit dem Wochenende nun gibt es eine - kostenlose - Nullnummer, die in einer Auflage von 28.000 Stück verteilt wird und kostenlos als PDF im Netz verfügbar ist. Auf 16 Seiten wird das Konzept in Comicform vorgestellt, dazu gibt es eine erste Story, gezeichnet von Stephan Hagenow, als Vorgeschmack auf künftige Inhalte. Der Kurs ist hier schon erkennbar: Laut, dreckig, gemein, provokant. Nicht umsonst ist Karl Nagel ein Urgestein der Punkszene und diese Attitüde merkt man dem neuen Projekt deutlich an.
Die erste Story "Hurra wir haben ein Baby" ist inhaltlich und zeichnerisch ziemlich rotzig und derbe geraten und genau so will das Heft auch sein. "Die", das ist das Establishment, die Wohlhabenden, der Mittelstand. "Wir", das sind die Obdachlosen, das Prekariat, die Punks. Ein recht einfaches Weltbild, in dem viel 80er-Jahre-Zeitgeist mitschwingt, das aber in der Hartz-IV-Republik durchaus eine Realität findet, an der es andocken kann. Und Karl Nagel ist schlau genug, um seine oberflächlich platten Parolen zwischendurch auch ironisch zu untergraben.
Wie auch immer man zu den Schundcomics aus dem Hause Tikoloshe stehen mag, ein kleiner Stachel ihrem Fleisch kann der gemütlichen Comicwelt eigentlich nur gut tun. Dass die Provokation à la Nagel gut funktioniert, zeigt sich in einem Thread im ComicGuide-Forum. Das Aufmischen scheint also schonmal zu klappen. Genaueres erfahren wir dann im Frühjahr 2009, wenn die erste Ausgabe von Die! oder wir in den Verkauf geht.Labels: Tikoloshe
posted by Thomas um 20:16 | Permalink
06.11.2008
Frisch aus der Druckerei, 5/08
(Comic-Neuheiten im Oktober)
Nach einer schöpferischen Pause kehrt unsere Neuerscheinungs-Rubrik wieder zurück in die Welt am Draht. Die Monate Juni bis September konnten leider nicht abgedeckt werden. Sorry für die Lücke. Ab sofort stellen wir in dieser Kolumne wieder die interessantesten Comic-Neuerscheinungen des vergangenen Monats vor, wobei wie bisher ein deutlicher Schwerpunkt auf Einzelbänden und Startausgaben von neuen Serien liegen soll.HIGHLIGHT DES MONATS: In mehrerlei Hinsicht bemerkenswert ist der erste Band der auf insgesamt sechs Alben angelegten Reihe Das Wolkenvolk beim Splitter Verlag: Seide und Schwert: Wisperwind. Zunächst mal ist es die erste Eigenproduktion des Verlags, der bisher ausschließlich Lizenzmaterial von frankobelgischen Verlagen produziert hat. Die Verlagsgründer Horst Gotta und Dirk Schulz mischen selber an diesem Comic mit (als Tuscher bzw. Kolorist), die Zeichnungen stammen von Ralf Schlüter. Die Serie basiert auf der gleichnamigen Fantasy-Romantrilogie von Kai Meyer und wurde von Yann Krehl fürs Comic adaptiert. Die Kombination Meyer - Krehl kennt man bereits von der Comicadaption Die Wellenläufer - einem Projekt, das bei Ehapa trotz mehrerer Anläufe gescheitert ist. Bei Splitter beteuert man hingegen schon jetzt, dass die Reihe auf jeden Fall abgeschlossen werden soll. Neben der Ausgabe im Albenformat ist auch eine Veröffentlichung im kleineren Buchformat angekündigt, die jeweils zwei Alben beinhalten soll. Eine Leseprobe findet man hier.
Reinhard Kleist, der in den letzten Jahren so ziemlich alle verfügbaren Preise eingesammelt hat, ruht sich nicht auf diesen Lorbeeren aus, kocht nicht mit den bewährten Rezepten weiter, sondern probiert Neues aus: Der Carlsen Verlag schickte ihn im Frühjahr 2008 auf eine einmonatige Reise in die Hauptstadt von Kuba. Seine Eindrücke von dort hielt er nicht nur in einem Weblog fest, sondern auch in einem Buch, das nun unter dem Titel Havanna - Eine kubanische Reise erschienen ist. Enthalten sind Comic-Episoden, Skizzen und Zeichnungen, die Kleists Eindrücke aus Kuba vermitteln.
Auf dem Feld der humoristischen Comics gibt es im deutschsprachigen Raum kaum einen besseren als den Wiener Nicolas Mahler. Sein neuester Band trägt den schönen Titel Die Herrenwitz-Variationen und erscheint bei der Edition Moderne. Eine kleine Kostprobe ist auf deren Website zu sehen.
Seit Sommer 2007 erscheint in der auf Tabloid-Format geschrumpften Frankfurter Rundschau ein täglicher Comicstrip. Er heißt Im Museum und stammt von Jan-Frederik Bandel und Sascha Hommer. Ausgangspunkt der fortlaufenden Handlung: Zwei Geschwister stecken eines Abends in einem Museum fest, denn der Wärter hat schon zugesperrt. Und so begeben sich die beiden auf eine bizarre Entdeckungsreise durch die Ausstellungsräume. Bei Reprodukt erscheint nun der erste Sammelband Die Treppe zum Himmel und der Ankündigungstext tönt so: "Der Zitat- und Anspielungsreichtum, zusammengetragen aus Hoch- und Trashkultur, Politik, Boulevard und Alltagsfrust, lässt nur einen Verdacht zu: Im Museum ist der letzte Comic vor der dritten Avantgarde." Was auch immer diese dritte Avantgarde sein mag, hier ist die Leseprobe.
Zwischen aktuellen und gut abhangenen Albenstoffen aus Frankreich veröffentlicht der Epsilon Verlag auch immer wieder mal Eigenproduktion von deutschen Zeichnern. Mangels eines klaren Verlagsprofils drohen diese jedoch oft unterzugehen. Denn das Angebot an Epsilon-Eigenproduktionen ist in Stil, Genre und Qualität sehr breitgefächert. Ganz neu erschienen ist Damian & Alexander: Der grüne Jaguar vom Berliner Thilo Krapp alias tiló, der bisher vor allem Kinderbücher illustriert hat. Eine maritime Abenteuergeschichte mit der Besonderheit, dass ihre Helden schwul sind. Kostproben gibt es auf Thilo Krapps Website.
Ebenfalls maritim wird's beim neuesten Werk von Lewis Trondheim: Insel Bourbon 1730 (Reprodukt) ist ein knapp 300 Seiten starker Comicroman, für den sich Trondheim mit dem Autor Appollo zusammengetan hat. Gemeinsam erzählen die beiden eine auf Tatsachen beruhende Geschichte von der Insel, die heute Réunion heißt, und damals hauptsächlich von ehemaligen Piraten und deren Sklaven bevölkert war. 8 Seiten Leseprobe geben einen ersten Eindruck.
Wer Lewis Trondheim mag, kommt meist auch nicht an seinem Kollegen Manu Larcenet vorbei. Dieser versetzt in seiner Reihe Die wundersamen Abenteuer prominente historische Figuren in ein besonderes Szenario. Im ersten Band verschlug es Sigmund Freud in den Wilden Westen, nun muss Vincent van Gogh in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Das Ergebnis ist entsprechend erschütternd, gleichzeitig aber auch äußerst komisch. Die wundersamen Abenteuer von Vincent van Gogh: An vorderster Front ist bei Reprodukt erschienen, wo man auch eine Leseprobe bekommt.
Endlich ist es soweit: The Goon ist auch auf Deutsch zu haben, und zwar bei Cross Cult. Zwar ist der seltsam-schräge Humor von Zeichner und Autor Eric Powell sicher nicht leicht ins Deutsche zu übertragen, aber beim Titel hat das schon mal gut geklappt: Aus dem Originaltitel Rough Stuff wurde Krudes Zeug, und das passt hervorragend. Die absurden Geschichten um einen liebenswerten Schläger, der es mit allerlei finsteren Gestalten zu tun bekommt, überzeugen durch extrem gute Zeichnungen und ihren trockenen Humor und sind schon seit Jahren ein Liebling der Comicgate-Redaktion. Ein paar Probeseiten gibt's auf der Cross Cult-Website.
Der unlängst neu gegründete Piredda Verlag startete im Oktober zwei neue Albenserien aus Frankreich, die beide teilweise schon im ZACK-Magazin zu lesen waren: Allein erzählt von fünf Kindern, die von einem Tag auf den anderen in einer völlig entvölkerten Stadt aufwachen (CG-Rezension hier, Leseprobe dort), und Ethan Ringler ist ein Western von Denis-Pierre Filippi und Gilles Mezzomo. Erzählt wird von einem 17jährigen, der 1879 aus London in die USA kommt, wo er seine indianischen Wurzeln aufspüren möchte (Leseprobe).
Auch bei der Ehapa Comic Collection erscheint mal wieder Albenstoff aus Frankreich. Unter dem Titel "All in one" möchte man künftig verstärkt Geschichten, die im Original in mehreren Teilen erschienen sind, in einem abgeschlossenen Sammelalbum veröffentlichen. Los geht es mit Hell's Kitchen von Karl T. und Damien Marie, einem Mafiaepos ausdem New York der 30er Jahre. Bei Comicgate gibt's bereits eine Rezension dazu, eine PDF-Leseprobe findet man hier.
Auch der recht erfolgreiche Weg der Gesamtausgaben von Comic-Klassikern wird bei Ehapa weiter beschritten, und zwar mit der sogenannten Maxiausgabe von Pierre Serons Minimenschen, in der alle Geschichten chronologisch und vollständig gesammelt werden. Das 176seitige Auftaktalbum ist bereits erhältlich.
Außerdem feiert Ehapa den 80. Geburtstag von Micky Maus, und zwar mit dem dicken Hardcover-Band 80 Jahre Micky Maus, in dem Geschichten bekannter Disney-Zeichner wie Floyd Gottfredson, Giorgio Cavazzano oder Romano Scarpa abgedruckt werden.
Gefühlt auch schon mindestens 80 Jahre alt sind die Gespenster Geschichten. Auch wenn es sich hier nicht gerade um großartige Comics handelt, scheinen sie doch unverwüstlich zu sein. Der Bastei-Verlag hatte die super-langlebige Reihe 2006 mit Heft 1654 eingestellt. Nun macht der Tigerpress-Verlag weiter, der bereits Erfahrung mit der Wiederbelebung untoter Comic-Klassiker hat, denn dort erscheint seit drei Jahren auch Fix und Foxi. Hier gibt's eine Leseprobe.
Aus Amerika erschienen im Oktober eher wenig interessante Comics auf dem deutschen Markt:
Infinity bringt ein kleines Event aus dem Hause Top Cow nach Deutschland - in der Miniserie First Born geht es um die Schwangerschaft und Niederkunft der Witchblade-Heldin Sara Pezzini, nach der im Top-Cow-Universum selbstverständlich nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Leseproben dazu gibt es reichlich: 8 Seiten auf Deutsch bei Infinity, sowie das ganze erste Heft plus Ausschnitte aus den Heften 2 und 3 auf firstborncomic.com. Ein paar Eindrücke zu dieser Miniserie und dem Umfeld vermitteln wir in der Rezi zum Start des 3. Darkness-Zyklus.
Bei Panini gibt es Sonderbände mit endlos langen Schlauchnamen, die vor allem für jene Leser interessant sind, die die jeweiligen Crossover-Events von DC bzw. Marvel verfolgen. DC-Leser bekommen mit dem Band DC Premium 57: Countdown - Auf der Suche nach Ray Palmer Zusatzmaterial zum Großevent Final Crisis. Auf der Marvel-Seite gibt es mit 100% Marvel 37: Die neuen Rächer - Illuminati eine Miniserie von Brian Bendis, die erzählt, wie ein geheimes Gremium von Superhelden die Geschichte des Marvel-Universums beeinflusst hat. (PDF-Leseprobe).
Außerdem gibt es einen Neustart der guten alten Hulk-Serie mit einer neuen Nummer 1: Der Hulk ist jetzt rot, wird geschrieben von Jeph Loeb und gezeichnet von Ed McGuinness (US-Preview).
Mit dem zeitreisenden Superhelden Booster Gold hat man bei DC im Zuge der 52-Serie mal wieder einen Helden ins Rampenlicht gezerrt, den es zwar schon seit Jahrzehnten gibt, der aber lange Zeit keine Rolle spielte. Nun hat er seine eigene Serie, und die ersten Hefte der Reihe gibt's in 100% DC 16: Booster Gold 1.
Freunde des gepflegten Trashs bekommen von Panini dann noch eine Miniserie aus dem inzwischen ad acta gelegten Verlag Virgin Comics: Jenna Jameson's Shadow Hunter ist eine Vampirjägerstory, für die eine bekannte Pornodarstellerin Pate stand. Mehr muss man dazu wohl eher nicht wissen.
Schließlich noch ein kurzer Blick ins Manga-Land: Hier sticht besonders die neue Carlsen-Serie Ikkyu hervor, eine vierbändige Serie vom inzwischen verstorbenen Hisashi Sakaguchi, die in Japan in der ersten Hälfte der 90er erschien. Es handelt sich um einen biographischen Comic, der das Leben von Ikkyu Sojun beleuchtet, einem berühmten Zen-Meister des 15. Jahrhunderts. Da man hier eine andere Zielgruppe anpeilt als die typischen Manga-Kiddies, erscheint die Serie in einer höherwertigen Aufmachung.
"You know, my fuckin' body consists of cigarettes, coffee and sex." Dieser Satz aus dem Hardboiled-Lehrbuch schmückt Stroke Material: My Fuckin' Lover, einen neuen Manga auf dem "Adult"-Label von EMA. Allerdings geht es hier nicht um den japanischen Cousin von Torpedo, sondern um einen jungen Macho und Weiberheld, der in einem Mädchen seine Meisterin findet. Laut EMA-Pressetext ist das Ergebnis "ein unglaublich lustiger, zeichnerisch herausragender Manga. Cool, frech und mit jeder Menge Hitpotential."
Bei Tokyopop erscheint eine in den USA produzierte Manga-Reihe, die auf der Jugendroman-Serie Warrior Cats von Erin Hunter basiert. Die Romane sind vor allem in den USA große Bestseller. Bei den Comics handelt es sich nicht um Adaptionen der Romane, sondern um eigenständige Geschichten. Als Autor fungiert hier ebenfalls Erin Hunter, das ist aber nur ein Pseudonym, hinter dem sich verschiedene Autoren verbergen. Gezeichnet werden die Comics von James L. Barry. Geplant ist eine Trilogie, die aus jeweils drei Bänden besteht. Eine Kostprobe der US-Version gibt es bei tokyopop.com.
Last but ganz sicher nicht least sei noch auf ein schönes Stück Sekundärliteratur hingewiesen. Wie jedes Jahr im Herbst veröffentlichte der ICOM wieder sein Comic! Jahrbuch. Die Ausgabe für 2009 enthält neben Marktüberblicken und Interviews mit den Preisträgern des ICOM Independent Comic Preises auch verschiedene umfangreiche Sachartikel, u.a. um Comics vom rechten Rand der Gesellschaft. Als Ergänzung zu einem Artikel über den "Comic in den Zeiten von Web 2.0" findet man im Jahrbuch auch ein kleines Interview mit meiner Wenigkeit, in dem es um den Stellenwert von Comic-Blogs und Webcomics geht. Leseproben zu allen Artikeln des Jahrbuchs gibt es hier.Labels: Druckfrisch
posted by Thomas um 19:49 | Permalink