
Die Welt am Draht, das sind Kommentare, Informationen, Gedanken und natürlich News rund um die Welt der Comics und darüber hinaus.
29.04.2005
Endspurt für Nachwuchsautoren!
(Panikmache 2005)
Noch etwas mehr als zwei Tage habt Ihr Zeit, durch einen Beitrag zum Thema "Mein größter Fehler (in meinem Leben)" einen einwöchigen Workshop (selbst das Hotel wird Euch bezahlt!) mit dem Drehbuchautor und Verleger Rochus "Robi" Hahn (u.a. Drehbuch zu "Das Wunder von Bern") zu gewinnen. Selbstverständlich ist es Euch überlassen, ob Ihr etwas Autobiographisches präsentiert oder Eure Phantasie spielen lasst.
Bis zum 1. Mai, 23.59 Uhr, muss das höchstens dreiseitige Treatment (rtf-Datei, Schriftart: Arial oder Times New Roman, Schriftgröße 14 pt) beim Verlag Schwarzer Turm eingegangen sein, um diesen genialen Preis gewinnen zu können.
Was zum Teufel überhaupt ein Treatment ist und an welche mail-Adresse Ihr Euren Beitrag senden müsst, erfahrt Ihr auf der Panikmache 2005-Seite.
Und in unserem Interview erzählt Robi ein wenig von sich und auch von dem, was er sich erhofft von den Nachwuchsautoren.
Viel Erfolg!
posted by Frauke um 17:18 | Permalink
26.04.2005
Seufz...
(Dr. Erika Fuchs, 1906 - 2005)
Wie gestern bekannt wurde, starb Erika Fuchs am vergangenen Freitag im Alter von 98 Jahren in München. Sie war die erste Chefredakteurin der deutschen "Micky Maus" und übersetzte lange Jahre die Disney-Geschichten aus Entenhausen. Dabei drückte sie den Comics ihren eigenen Stempel auf und gilt als diejenige, die Begriffe wie "grübel, grübel und studier" in die deutsche (Comic-) Sprache einführte.
Ob es ohne ihre genialen deutschen Texte heute eine Kultgemeinde wie die D.O.N.A.L.D. geben würde? Wohl kaum.
Ein kleiner Web-Rundgang zum Tod von Erika Fuchs:
- "Ein unreines, höheres Deutsch ist das Fuchsische, eine Kunstsprache aus Alltagslauten und poetischen Tönen, klassischen Zitaten und lakonischen Sentenzen."
(aus dem Nachruf der Donaldisten, deren Ehrenmitglied Frau Fuchs war)- "Es ist nicht zuletzt der gelungenen Sprachartistik von Frau Dr. Fuchs zu verdanken, dass die "Micky Maus" so rasch in Deutschland heimisch wurde. Mit witzigen, geistreichen Dialogen deutschte sie die Geschichten nicht nur ein, sondern gab Ihnen eine zugleich intelligente und gehobene Sprachebene mit auf den Weg."
(aus dem Nachruf des Egmont Ehapa Verlags)- "Erika Fuchs machte aus den manchmal drögen, mitunter sperrigen oder schlicht banalen Sätzen der amerikanischen Vorlagen funkelnde Kleinode. Jedem Entenhausener schrieb sie eine eigene Sprache auf den Leib. So wurde Onkel Dagobert zum distinguiert parlierenden Herren, Donald hielt sein geknicktes Ego durch pompöse Übertreibungen aufrecht und die Kinder reden so hektisch, dass die Sätze in den verschiedenen Sprechblasen ineinander übergehen."
(Spiegel Online)- "Und so scheute sie sich nicht, der Barks'schen Entenhausen-Combo Schiller-Zitate in die Sprechblasen zu schreiben, auch vor einem gediegenen Endreim hatte sie keine Angst. Sie brachte Geist und Witz in die Comics, der so vielleicht gar nicht geplant war. Machte ganz nebenbei so manchen mit dem richtigen Gebrauch von Genitiv und Konjunktiv bekannt."
(Die Presse, Wien)- "Also ich habe '51 das erste Mal gesehen, daß es überhaupt Comics gibt. Das gab's ja bei uns nicht. Die ganzen 30er Jahre und auch die 40er, nein, das gab es einfach nicht. Und ich war zuerst wirklich außerordentlich verblüfft. Die vielen Bilder auf einer Seite, dann die Sprechblasen. Also ich sagte spontan, das geht in Deutschland nicht. In Deutschland gab es als Jugendzeitschrift "Das Kränzchen", den "Guten Kamerad", die hatten, glaube ich, 30.000 Auflage. Also ich hielt das für ausgeschlossen. Aber die Herren lachten nur und sagten: "Nein, nein, das geht in Deutschland auch. Nehmen Sie das mal mit, in einem halben Jahr kommen die Leute von Disney, machen Sie eine Probeübersetzung und dann sehen wir weiter."
(Erika Fuchs in einer 11 Jahre alten Radiosendung des Deutschlandfunks, mit Hörproben)- Artikel zu Erika Fuchs in der BarksBase
- Zahlreiche Zitate in Wort und Bild bei Zippo
- Der "Erikativ"
(Eintrag in der Wikipedia)
posted by Thomas um 10:49 | Permalink
25.04.2005
Sascha Thau im Fernsehen
(live und in Farbe)
Sascha Thau, seines Zeichens Autor und Zeichner von "Der Kosmopolit" (bei Zwerchfell) und Kolumnist bei Comicgate ("Comics essen Seele auf"), wird am 27. April live von 16 bis 18 Uhr als Gast bei NBC GIGA TV auftreten. Pro Stunde wird er drei Takes à fünf Minuten haben und über den Beruf Comiczeichner sowie das Comicmachen sprechen.
Hier steht, wie man GIGA empfangen kann - z.B. über's Internet im Livestream.
posted by Frauke um 23:46 | Permalink
24.04.2005
Frisch aus der Druckerei, 11/05
(Comic-Neuheiten der Woche)
HIGHLIGHT DER WOCHE: Frank Zappa, der Ende des Jahres seinen 65. Geburtstag feiern würde, bekommt eine Hommage in Comicform - Zappaesk von Andreas Rausch feiert den Künstler in einem 240 Seiten dicken Schwarzweiß-Taschenbuch, vermischt biographische Fakten mit Songtexten und erinnert graphisch an Underground-Hippie-Helden wie Robert Crumb oder Gilbert Shelton. Bei Zweitausendeins hätte mich das weniger überrascht, bei Ehapa allerdings schon. Für den Mut, mit so einem Projekt total gegen den Zeitgeist zu steuern, gibt's das "Highlight der Woche".
Ebenfalls bei Ehapa erschien Zoe - Chaos-Tage von Lolle Holzmann. Ähem, Lolle Holzmann ist die Hauptfigur der ARD-Vorabendserie "Berlin, Berlin", und die ist Comiczeichnerin. Die gibt's also gar nicht "in echt". Darum hat Ehapa Dirk Bertram als Ghostwriter und Christian "Mana" Nauck als Ghostzeichner engagiert. Mehr dazu erzählt Mana im Comicgate-Interview. Und ich warte jetzt auf Comics von Buffy Summers, Jack Bauer und Carrie Bradshaw.
Die Disney-Ecke von Ehapa sammelt in dem Band Die Drachenritter eine lange Geschichte, die zuvor als Zwölfteiler im Donald Duck Sonderheft abgedruckt wurde. Darin verschlägt es die Ducks in eine Fantasywelt, wo sich Tick, Trick und Track mit drei Babydrachen anfreunden.
Neu im Programm von Reprodukt ist Klassenfahrt, ein Gemeinschaftsprojekt, das in einem Seminar des Fachbereichs Gestaltung an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften entstand, wo die Comickünstler ATAK und Anke Feuchtenberger (Gast-) Professuren innehaben. Erzählt werden Kurzgeschichten, die sich um das Thema Klassenfahrt drehen. Dabei setzen die Jungs die Geschichten der Mädchen zeichnerisch um, und umgekehrt. Mein Ersteindruck beim kurzen Durchblättern: graphisch ist das meiste eher in der Kunst-Ecke angesiedelt, also näher bei den beiden Professoren als z.B. bei Mawil, der das Cover zu diesem Band beisteuerte.
Bleiben wir noch kurz bei der Kunst: der Avant-Verlag hat das neue Label "Edition Ignatz" gegründet und startet mit dem aktuellen Band von David B., Babel: surreale Traumgeschichten aus der Kindheit des Künstlers.
Im regulären Avant-Programm erscheint Fats Waller, eine Graphic Novel vom Italiener Igort ("5 ist die perfekte Zahl") und dem Argentinier Carlos Sampayo. Erzählt wird von einem Jazzpianisten, der im New York der 30er Jahre Karriere macht, aber auch vom spanischen Bürgerkrieg.
posted by Thomas um 18:04 | Permalink
23.04.2005
Panikmache 2005
(Comic-Wettbewerb)
Vor wenigen Minuten wurde im Comicforum das Thema für den Wettbewerb "Panikmache 2005" (veranstaltet vom Verlag Schwarzer Turm mit unterstützung von Comicgate) bekannt gegeben: es lautet "Mein größter Fehler".
Zeichner haben jetzt genau 24 Stunden Zeit, zu diesem Thema einen sechsseitigen Comic zu Papier zu bringen. Auf geht's!
Zum gleichen Thema gibt es auch einen Autorenwettbewerb - hier hat man immerhin eine Woche Zeit, um ein Treatment einzusenden.
Alle Details findet ihr beim Schwarzen Turm. Es winken jedenfalls verlockende Preise: für die talentiertesten Autoren ein Workshop mit Rochus "Robi" Hahn, für die Zeichner eine Veröffentlichung in "Panik Elektro" oder hier bei Comicgate.
posted by Thomas um 20:10 | Permalink
18.04.2005
Frisch aus der Druckerei, 10/05
(Comic-Neuheiten der Woche)
In den letzten zwei Wochen sind u.a. diese Comics in den Läden aufgeschlagen:
HIGHLIGHT DER WOCHE: Das gibt schon mal einen Punkt für den schönen Titel: Monsieur Jean: Die Kunst, glücklich zu sein (ohne es zu merken) ist die erste albumlange Geschichte der Reihe. Davor erzählten Philippe Dupuy und Charles Berberian ihre komischen Alltagsepisoden über Pariser Thirtysomethings als Kurzgeschichten. Passend zum Formatwechsel wechselt auch der deutsche Verlag: nachdem die ersten drei Bände bei Salleck Publications erschienen waren, gibt's das neue Material bei Reprodukt.
Wie schon in seinem Klassiker "Der Champion" widmet sich Baru in Wut im Bauch noch einmal dem Thema Boxsport, und wieder geht es um die Gemeinsamkeiten zwischen Sport und Gesellschaft und wie man sich darin durchsetzt. Notfalls mit den Fäusten. Der erste Band dieses Zweiteilers ist bei Edition 52 erschienen.
Bei all der Geheimnistuerei, die von Lucasfilm betrieben wird, wenn es um den lange erwarteten Kinostart von Star Wars: Episode III: Die Rache der Sith geht, ist es verwunderlich, dass der Comic zum Film, der ja die gleiche Handlung erzählt, schon schon einen Monat vorher zu haben ist. Die deutsche Ausgabe von Dino Comics erscheint dabei fast zeitgleich mit dem US-Original.
Garth Ennis' und John McCreas schwarzhumorige Serie um einen Auftragskiller im DC-Universum steuert auf ihren Abschluss zu: das Paperback Hitman: Die Letzte Runde #1 (Panini) ist der vorletzte Band, ehe die Reihe dann vollständig auf deutsch vorliegt.
In der Reihe "Marvel Graphic Novels" druckt Panini gerne Comics, die sich aufgrund ihres Artworks vom Marvel-Mainstream abheben und verpasst ihnen mit vergrößertem Format und Hardcover-Einband die Anmutung eines edlen europäischen Albums. Neu in dieser Reihe ist Punisher - The End. Garth Ennis, der auch die reguläre Punisher-Serie schreibt, erzählt darin von den letzten Tagen in Frank Castles Leben. Gezeichnet wurde dieser One-Shot von Richard Corben, da passt dieses Format sicher ganz gut. Wermutstropfen: die deutsche Ausgabe ist damit mehr als doppelt so teuer wie das US-Heft.
posted by Thomas um 19:50 | Permalink
11.04.2005
9,0 auf der Richterskala
(Ein Korrespondentenbericht aus Amerika)
Der folgende Text stammt von Comicgate-Mitarbeiter Daniel Wüllner, der sich zur Zeit zu einem Auslandssemester in den USA aufhält. Hier erzählt er, wie man dort Comics an offensichtlichen und nicht so offensichtlichen Orten begegnen kann, wenn man die Augen offen hält.
Und? Spürt ihr im alten Europa das Beben auch schon? Wahrscheinlich ist es schon wieder abgeebbt, bis es bei euch angekommen ist. Hier in Amerika hat es auf jeden Fall schon begonnen. Als kurze Einleitung sollte ich vielleicht erzählen, dass ich in den letzten beiden Jahren immer versucht habe Prognosen zu erstellen, um ein solches Phänomen zu erahnen. Dies geschah bis jetzt immer in meiner Kolumne Mind the Gap, die den Previews zusammenfassen sollte. Doch seit 8 Monaten bin ich jetzt schon in den Staaten und versuche dort dem Zeitgeist auf den Grund zu gehen. Meine Funde waren bislang von wechselndem Erfolg gekrönt:
Wenn man dazu vertrauten Mustern folgt, so findet man sich nicht allzu bald in einen Comicladen wieder. "Mein" Laden, Green Brain Comics in Detroit, ist noch einer der alternativeren, dennoch sieht es hier genau so aus wie in jedem anderen in Deutschland auch. Es gibt die Einen, die mehr Wert auf Superhelden legen, und die Anderen, auf deren Fahne in schwarz-weißen Lettern "Independent" geschrieben steht:
Aber was heißt es wirklich, in Amerika zu sein, dem Ursprungsland des 24-Seiten-Heftchens? Natürlich, die Comics sitzen postbedingt schon am Mittwoch statt wie bei uns am Donnerstag in ihrem Regal. Wenn wir aber weiter versuchen, von unserem kleinen Universum "Comicladen" aus die Welt zu verändern, dann warten wir vergebens.
Nicht mal die Spur eines Bebens ist zu spüren.
Oder fahren wir doch nach New York und gehen ins MoccA, das Museum für Comics. Aber was wartet dort auf uns?
Wenn man den Prognosen glauben mag, wird die Richterskala dort 5,3 anzeigen.
Nach einer langen Suche habe ich dieses kleine Beben beschränkt auf 50 Quadratmeter im vierten Stock eines Bürogebäudes gefunden. Die Hauptausstellung bezieht die Stadt New York mit ins Medium Comic ein.
Es beginnt langsam zu wackeln.
Man folgt den Bildern, die einen etwas dickeren Mann abbilden, den Medienmogul Randolph Hearst. Seine Erfolge geben dem Medium Comic einen faden Beigeschmack von Kapitalismus und Ausbeuterei. Doch nach wenigen Schritten findet man sich neben den Bildern von Zeitungsillustrator Thomas Nast wieder. Dieser hat mit seinem Cartoonstrips gegen die Korruption im Big Apple gekämpft. Man kann wirklich erstaunt sein, wozu die neunte Kunst alles in der Lage ist. Auf nur drei Bildern und zwei Schaubildern ist ein atemberaubender Kampf zwischen dem kleinen Zeichner und dem korrupten Gangsterboss Tammany Hall zu sehen. Was aber noch mehr erstaunt, ist die Tatsache, dass der kleine David gegen den Goliath gesiegt hat.
Allmählich kann man Vibrationen spüren.
Geht man weiter durch die Ausstellung, darf man sich anhören, wie New Yorks ehemaliger Bürgermeister La Guardia während des Zeitungsstreiks seinen Lieblingscartoon "Dick Tracy" über den Äther seinen Bürger wörtlich illustriert. Gegen diese Lebensnähe wirken die alternativen Comics aus den Sechzigern wie weltfremde Hieroglyphen, die stets versuchen, die eine oder andere Realität zu abstrahieren. Erst wenn man Art Spiegelmans "In the Shadow of no Towers" in dieser Stadt vor Augen hat, hat man es wirklich gelesen.
Man spürt, wie sich der Boden langsam unter einem bewegt und die letzten Staubwolken an einem vorbeiziehen.
Die anderen Ausstellungungsstücke dagegen zeigen kleine Zelluloidstreifen, die das Medium Zeichentrickfilm verkörpern sollen. Doch die kleinen Streifen sind nicht in der Lage, die Zeit zeitgemäß zu verkörpern. Ohne ein Danach und ein Davor hängen sie dort genauso ohne Bezug zur Realität wie Fische an der Wäscheleine.
Alle Bewegung geht verloren.
Auf dem Weg nach draußen sollen uns handsignierte Filmposter von Mike Mignola davon überzeugen, dass in diesen vier Wänden Comicgeschichte geschrieben wurde, wird und auch werden wird. Später, endlich wieder auf dem Weg ins East Village, springt den genauen Beobachter von bunten Bildern ein kleines Schaufenster an. Zwischen einem Haufen von Schmuck, der für Museen bestimmt ist, sitzt auf einem roten Samtkissen einer der wohl besten Comics der letzten Jahre: Peter Blegvads "Leviathan".
Der Künstler alleine sollte unsere Richterskala schon auf 9,0 bringen. Wenn man dann noch seine Musik hört, die sehr an den alten Bob Dylan erinnert, spürt man auf einmal ein Zucken, das durch den Körper jagt. Ein Vorbeben.
Aber was hat dieser Comic in der Auslage eines Ladens, der abgeschmackten Schmuck produziert, verloren? Das Leben kann oft nur dann gefühlt werden, wenn man seinen ganzen Mut zusammennimmt. So tue ich einen Schritt in den Laden und frage, wer auf die unsinnige Idee gekommen ist einen Comic eben dort zu positionieren. Die nette rothaarige Frau hinter dem Tresen ist auch sofort bereit zu einem Schwätzchen. Man freut sich über den Kontakt mit echten Menschen, die kein Spandex tragen. Sie und ihr Mann sind befreundet mit Peter Blegvad, der erst letztes Wochenende zu Besuch kam und ihnen Peter (Kuper) und Chris (Ware) vorgestellt hat.
9,0!
Mit einer E-Mailadresse und einer neuen Zeichnung des Künstlers in meiner Hand verlasse ich den Laden, gestützt von meiner Freundin, die das Beben auch spürt. Das Beben, auf das wir alle gewartet haben, findet eben nicht ausschließlich in unserem kleinen Universum, sondern auf der Strasse statt.
Nach diesem Abenteuer wurde ich etwas mutiger und versuchte hinter jeder Ecke unsere kleine Comicwelt zu erhaschen, die Populärkultur am Schopf zu packen. "Steamboy" ist ein Versuch, das Beben aufrecht zu erhalten. Ein verzweifelter Versuch, der von Regisseur Otomo gründlich vereitelt wird. Ich wusste doch schon immer, dass es einen Unterschied gibt zwischen den kleinen Mädchen, die sich verkleiden und der politischen Agenda von Akira. Aber der werte Herr Otomo scheint das vergessen zu haben. Warum Louis Stevens, Erfinder der Dampfmaschine, ein Verrückter ist und warum man in einem Anime altenglisch spricht, scheint mit der Globalisierung zu tun zu haben. Das amerikanische Equivalent ist genauso abgeschmackt. Mit einigen bunten Bildern versuchen die Macher von "Ice Age" durch "Robots", den Schein einer Utopie vorzugaukeln. Doch die Zuschauer bleiben bei all den billigen Special Effects und der aufgezwungenen Moral leider allein in der kalten Realität zurück.
So gerne hätte ich mein kleines privates Beben mit euch geteilt.
Enttäuscht fahren wir nach Detroit zurück ohne den Beweis, in Amerika etwas gefunden zu haben, was man als amerikanische Revolution bezeichnen kann. Ich lasse mich sogar dazu überreden, "Sin City" anzugucken, um für meine Kinomitgänger einen Kommentar darüber abzugeben, wie Robert Rodriguez Frank Miller verarbeitet hat. Auch ohne den Comic gelesen zu haben, sollte dies kein Problem sein. Das hat bis jetzt jedes Mal geklappt, selbst bei "Hellboy".
Doch schon nach den ersten paar Bildern merke ich, dass hier gerade etwas Grosses passiert. Die Namen, die vor mir auf der Leinwand auftauchen, verschwimmen in einem brutalen Gemisch aus Schwarz und Weiß. Doch nur ein Hauch von Rot und eine Note von stinkendem Gelb reichten aus, um den Film auf Nummer Eins in den Box Office Charts zu katapultieren. Und während der Durchschnittsamerikaner sich noch fragt, was ihn da eben getroffen hat, renne ich in "meinen" Laden, um mir den Comic zum Film doch noch zu besorgen, ein Akt, den ich beim Kauf von Büchern schon verabscheue.
Man muss sich jetzt wirklich an etwas festhalten, um nicht zu fallen.
Und es geht weiter. Es ist unbeschreiblich. Ohne mir etwas zu denken, gehe ich am nächsten Tag in die Uni-Bibliothek. Und was springt mich dort an? Arguing Comics: Literary Master on a Popular Medium, das neusten Sekundärbuch über Comics, und das International Journal of Comics Art an, ein wissenschaftliches Magazin, von dem man dachte, dass man der einzige sei, der es bezieht.
Und wieder hat sich die Welt ein bisschen weitergedreht.
Spürt Ihr es auch schon?
posted by Thomas um 13:38 | Permalink
01.04.2005
Frisch aus der Druckerei, 9/05
(Comic-Neuheiten der Woche)
HIGHLIGHT DER WOCHE: Die ersten beiden Hefte seiner Reihe Geschichten aus den Neunzigern hat der Hamburger Fab (alias Fabian Stoltz) noch in Eigenregie veröffentlicht. Jetzt hat ihn der Verlag Schwarzer Turm, der sich immer mehr zu einem der wichtigsten Förderer deutschen Comic-Nachwuchses mausert, unter seine Fittiche genommen. Dort erschien letzte Woche die dritte Neunziger-Geschichte An solchen Tagen. Wer ein Faible für realistische Alltagsgeschichten hat, sollte hier dringend mal reinschauen.
Bei Reprodukt gibt es neues von C.X. Huth, einem der Mitbegründer der Berliner Renate-Crew: in deren Magazin erschienen bereits einige seiner Hasenhäschen-Geschichten, die jetzt als Sammelband vorliegen. Ein eher spezielles Vergnügen irgendwo zwischen Krakelei, Niedlichkeit und Kunst.
Und noch eine deutsche Eigenproduktion: die Mangaka Prin & Umi Konbu stammen zwar aus Japan, leben und arbeiten aber in Deutschland. Bei Eidalon erschien jetzt der zweite Band ihrer Serie Tomoe um einen weiblichen Samurai.
Eduardo Risso ist bei uns vor allem durch seine Zeichnungen in der Vertigo-Serie "100 Bullets" bekannt. Der Argentinier ist aber auch im Albenbereich aktiv. Bei Kult Editionen gibt's jetzt den ersten Band der Fantasyreihe Roter Mond, geschrieben von Carlos Trillo ("Kater Neferu").
Ebenfalls bei Kult: ein neuer Band des Belgiers Hermann ("Jeremiah"), geschrieben von seinem Sohn Yves H.: The Girl From Ipanema. Für die ganz harten Fans gibt es den Krimicomic auch als Luxusausgabe mit signiertem Druck für 75 Euro.
Dieses Wochenende startet in den USA die lang erwartete Verfilmung von Frank Millers Sin City. Der Film von Robert Rodriguez, der sich streng an die Comicvorlage hält und mit Stars wie Bruce Willis und Benicio Del Toro aufwartet, wird in Deutschland noch eine Weile auf sich warten lassen. Die Comics allerdings gibt es jetzt in einer schicken Neuauflage aus dem Hause Cross Cult. Dort hat man mit "Hellboy" bereits gezeigt, dass sich schwarzweiße Comics im edlen, kleinformatigen Hardcover recht gut verkaufen lassen.
posted by Thomas um 20:51 | Permalink